Es scheint, dass wir alle wissen, wie das geht. Trotzdem gelingt es vielen Führungskräften nicht, oder nicht zu ihrer Zufriedenheit, Räume und Zeit für das Wichtige zu schaffen. Woran mag das liegen? Dafür gibt es vielfältige Ursachen, von denen ich hier einige nenne, die ich immer wieder höre:

• Gerade läuft zu viel, alles ist irgendwie dringend.
• Ich habe generell zu viel auf dem Tisch.
• Meine Mitarbeiter*innen sind nicht gut genug, alles bleibt an mir hängen.
• Meine Führungsspanne ist zu groß (mit Führungsspanne ist die Anzahl der Mitarbeiter*
innen gemeint, die an eine Führungskraft berichten).
• Allein schon die Aufgabenverfolgung für meine Mitarbeiter*innen kostet mich viel Zeit.
• Immer wieder kommt etwas Unerwartetes dazwischen, sodass ich nie wirklich Zeit für das Wichtige finde.

Ich könnte die Liste beliebig verlängern. Was könnte die tieferliegende Ursache sein, dass es vielen Führungskräften nicht gelingt, genügend Zeit für das Wichtige zu finden? Warum versinken sie immer wieder im “Dringenden”? Oder anders gefragt: Welche Verhaltensweisen und Techniken braucht es, damit ich genügend Zeit für das Wichtige, für Führungsfragen, finde?

Verhaltensweisen und Techniken für mehr Zeit zu Wichtigem

Ich ringe selbstverständlich selber auch mit diesem Problem und habe die verschiedensten Techniken und ToDo-Werkzeuge ausprobiert. Sicher ist es hilfreich, David Allen mit seinem Konzept des Getting Things Done zu kennen. Das wird ja auch oft mit GTD abgekürzt. Eine Regel, die ich, von ihm angeregt, mir angewöhnt habe ist dieses: Kurze Tätigkeiten, also solche, die maximal 2min dauern, sofort erledigen. Solche Tätigkeiten gegen Nachmittag erledigen. Morgens die erste Stunde, wo man noch frisch ist, zum Nachdenken, Planen und für die sogenannte Quality-Time nutzen. Das weiss ja inzwischen auch jeder, dass man das so machen sollte.

Es gibt aber eine tiefere Schicht, auf die ich in diesem blog hinweisen möchte. Und das ist der Grad des Selbstgefühls, oder Körpererlebens, während meiner Aktion. Inwieweit gelingt es mir, mein Bewusstsein und Selbstgefühl zu erhalten, mich also selbst bewusst wahrzunehmen, während ich etwas tue?

Das körperliche Selbstgefühl stärken

Ich höre dann zum Beispiel diese Aussage: In Ruhe gelingt es mir schon ganz gut bei mir zu sein, präsent zu sein, meinen Atem zu spüren. Aber sobald ich den Betrieb betrete, vergesse ich das und gehe in den vielen Aufgaben auf. Erst Abends merke ich wieder, wie müde ich eigentlich bin oder wie angeregt und gut der Tag verlief. Zum wirklichen Nachdenken und Vorbereiten über Führung bin ich aber nicht gekommen. Dafür war einfach zu viel zu tun.

Wenn es aber gelingt, auch zwischendurch – also während der Arbeit – , Momente der Gegenwärtigkeit zu erleben, den eigenen Körper und Atem zu spüren, dann schaffe ich auf diese Weise Zeiträume. Die brauchen nicht sehr lang sein. Wenn das Bewusstsein dabei sehr konzentriert und wach ist, dehnt sich erfahrungsgemäß das Zeiterleben aus, sodass 5-10 Minuten genügen. Gelingt das öfter, kann man bemerken, wie man mehr und mehr selbst die Führung über die Dinge übernimmt, statt sich von den Dingen und von den anderen treiben zu lassen.

Das geht ja schon mit den E-Mails morgens los. Schaue ich dort als erstes rein, dann tritt gleich die Frage auf: lass ich mich in die Themen und Sorgen, die da auftreten, hineinziehen oder gelingt mir eine gewisse Distanz gepaart mit gutem Körper- und Atemerleben, sodass ich in der Lage bin, die wichtigen Themen herauszufiltern und selbst zu entscheiden, wann ich sie bearbeite. Mir geht es dabei um die innere Haltung, Energie oder Wachheit, die notwendig ist, um die E-Mails gleich wieder abzuschalten und mich eine Stunde lang auf das Wesentliche zu konzentrieren, auf dasjenige, was ich mir vorher bereits vorgenommen habe. Die vielen kleineren dringenden Dinge sind dann schnell sortiert, sodass ich sie gegen Nachmittag erledigen kann, wenn die Konzentration etwas nachlässt.

Die innere Führung stärken und damit Räume für Wichtiges schaffen

Um wirklich präsent zu sein bedarf es nach meiner Erfahrung eines dauerhaften und sehr bewussten Körpergefühls. Ich meine damit das Erleben und das Bewusstsein, mit dem ich mir sagen kann: Ich fühle meine Füße, meine Beine, ich spüre den Stuhl auf dem ich Sitze, ich bin grad ganz präsent usw. Zu dieser Art Körpererleben kann dann noch das bewusste Atmen kommen. Damit meine ich nicht unbedingt eine Atemtechnik, sondern das ganz einfache Erleben und Mitverfolgen des Atmens. Ist der Atem kurz oder zu hoch im Körper, kann ich ihn so milde anpassen, dass er tiefer und ruhiger wird. Diese zwei Aufmerksamkeitsfelder: das eigene Körpererleben und das achtsame Mitverfolgen des Atems können helfen, die Präsenz durch den Tag zu stärken. Und mit erhöhter Präsenz und Gegenwärtigkeit schaffe ich zugleich Räume, die ich für Wichtiges nutze.

 

 

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