Sind wir schon bereit für die Selbstorganisation?
In einer Zeit, in der agile Teams und selbstorganisierte Methoden in Unternehmen Einzug halten, tauchen wichtige Fragen auf: Sind wir überfordert mit diesen neuen Strukturen? Welche Faktoren führen zum Erfolg, und was geschieht, wenn dieser Erfolg ausbleibt?
Ich beobachte bei meinen Kunden den vermehrten Einsatz agiler und selbstorganisierter Methoden wie Kreise, Zirkel oder Teams in verschiedenen Unternehmensbereichen. Doch mit dieser Veränderung kommt eine wachsende Komplexität. Diese Komplexität wird oft unterschätzt, und es stellt sich die Frage, ob wir nicht zu schnell voranschreiten, wenn wir mit agilen Teams starten.
Die heutige Komplexität wird gerne mit der Abkürzung VUCA beschrieben. VUCA steht für die englischen Begriffe volatility‚ Volatilität‘ (Unbeständigkeit), uncertainty ‚Unsicherheit‘, complexity‚ Komplexität‘ und ambiguity ‚Mehrdeutigkeit‘. In diesem Zusammenhang wird zusätzlich der Begriff Ambidextrie genannt. Ambidexterität, ist die Fähigkeit von Organisationen, gleichzeitig effizient und flexibel zu sein. Das sind schwierige Fachwörter finde ich. Für die Einführung agiler Methoden werden Begriffe wie Scrum und Product-Owner benutzt. Dann gibt es Scrum-Teams, Coaching-Teams, Scrum-Masters, Rolle, Verantwortung, und so weiter.
All diese Begriffe werden verwendet ohne genaue Definition. Wenn ich in verschiedene Organisationen gehe muss ich jeweils eine andere “Sprache” lernen, denn jeder verwendet einen oder mehrere solcher Begriffe wieder anders. Das vermischt sich mit weniger agilen Methoden, zum Beispiel dem Projekt-Management. Das Projekt-Management, das wir allgemein gelernt haben, definiert ein Endziel und kontrolliert den Weg dorthin. Eine solche kontrollierende Methode steht im Gegensatz zu agilen Methoden, bei denen wir ein ungefähres Bild des Endziels haben und den Weg dorthin möglichst flexibel gestalten. Dies ist nur eines von vielen Beispielen, wo kontrollierende Methoden mit flexiblen Herangehensweisen kollidieren.
Ich will hiermit nur andeuten, welche neue Komplexität wir uns schaffen. Wir erwarten dann wie selbstverständlich, das die Mitarbeitenden das alles verstehen, einordnen, für sich klären, und nun in den neuen Rollen und Verantwortlichkeiten gleich perfekt funktionieren. Man kann sich vorstellen, dass hier Überforderung eintritt, Überforderung und Verwirrung. Oftmals weiss selbst die Führung nicht genau, was sie tut. Berater führen was ein und die Führung denkt: Lass die mal machen, die wissen schon was sie tun. Leider ist das oft nicht der Fall.
Bei Komplexität Verlangsamen
Als CEO und Führungskraft sollte man in dieser Situation sehr aufmerksam sein. Sonst eskaliert es und die Mitarbeitenden revoltieren. Eine wesentliche Rolle spielt das Zuhören und Ernstnehmen der menschlichen Belange der Mitarbeiter. In manchen Fällen ist es sicherlich notwendig zu verlangsamen, also Tempo rausnehmen, innehalten, durchatmen, reflektieren, gemeinsam einordnen wo wir stehen, woher kommen wir, was ist noch Altes da, was ist schon Neues, wie kommt Alt und Neu gut zusammen, was vom Alten ist gut und sollte beibehalten werden, was sollten wir in Zukunft lassen und anders machen.
Diese und ähnliche Fragen sollten gestellt und im Dialog mit allen Beteiligten besprochen werden. Transparenz und persönliche Begleitung sind von entscheidender Bedeutung.
Ein kleines Beispiel, wenn mir alles zu viel wird: Dann komme ich zurück auf Stift und Papier. Vorher habe eine Weile alles mit der Tastatur gemacht, alles gut elektronisch gesammelt, abgelegt, geordnet. Auf einmal jedoch wird es zu viel und ich verliere die Übersicht. Inhaltreiche Gespräche sind zwar gut protokolliert, aber ich merke, dass ich sie nicht mehr so gut verarbeite. Elektronisch geht es zu schnell und zu oberflächlich. Dann nehme ich Stift und Papier und beginne zu schreiben. Langsam. Reflektierend. Ordnend.
Weniger ist Mehr.
Wir sollten verlangsamen – damit wir mittel- und langfristig dann tatsächlich schneller und agiler sind.
Herzliche Grüße
Alexander
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